Verjährung im Abgasskandal – Verbraucher nach BGH-Urteil gestärkt

Der Bundesgerichtshof hat zwei wichtige Entscheidungen zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen im VW-Abgasskandal getroffen und damit die geschädigten Autokäufer gestärkt. Demnach hängt der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist entscheidend davon ab, wann der Autokäufer Kenntnis von seinem Anspruch erlangt hat. Das muss nicht schon zwingend 2015 gewesen sein, nachdem der Dieselskandal im September 2015 bekannt wurde. Außerdem hat die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage gegen VW die Verjährung auch dann gehemmt, wenn sich der Kläger von der Musterklage wieder abgemeldet und seine Schadenersatzansprüche individuell geltend gemacht hat (BGH vom 29.07.2021 – VI ZR 1118/20).

Der Abgasskandal flog im September 2015 auf. Es wurde bekannt, dass VW bei Dieselfahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Motor des Typs EA 189 die Abgaswerte manipuliert hat. Dass sich VW dadurch grundsätzlich schadenersatzpflichtig gemacht hat, hat der BGH schon im Mai 2020 entschieden. Der BGH hat nun eine der strittig gebliebenen Verjährungsfragen entschieden.

In dem Verfahren vor dem BGH hatte der Kläger 2013 einen VW Touran gekauft. In dem Fahrzeug steckt der „Schummelmotor“ EA 189. Schadenersatzklage erhob der Kläger erst 2019. Zuvor hatte er sich bei der Musterfeststellungsklage an- und wieder abgemeldet.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist seien die Schadenersatzansprüche Ende 2018 verjährt, entschied das OLG Naumburg.

Der BGH kam jedoch zu einer anderen Auffassung. Ohne weitere Feststellungen könne nicht einfach unterstellt werden, dass der Kläger schon 2015 Kenntnis von seinem Schadenersatzanspruch hatte oder hätte haben müssen – auch wenn VW eine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht hat, und die Medien umfassend über den Abgasskandal berichtet haben. „In der Rechtsprechung wird überwiegend davon ausgegangen, dass diese Kenntnis erst mit Erhalt des Rückrufschreibens vorausgesetzt werden kann. Die Rückrufe haben die geschädigten Autokäufer in vielen Fällen 2016 erhalten. Dann wäre der Schadenersatzanspruch Ende 2019 verjährt, gegebenenfalls auch erst später“, erklärt Rechtsanwalt Michael Staudenmayer.

Außerdem sei der Eintritt der Verjährung durch die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage gehemmt gewesen, führte der BGH weiter aus. Die Hemmungswirkung trete bereits mit der Erhebung der Musterfeststellungsklage an, so der BGH. Wann sich der Verbraucher beteiligt habe, sei für die Verjährungshemmung nicht entscheidend. Es sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, sich zunächst bei der Musterfeststellungsklage an- und dann wieder abzumelden, machten die Karlsruher Richter klar.

„Das BGH-Urteil wirkt sich auch auf andere Fahrzeugmarken im Abgasskandal aus. So sollten Pkw-Halter, die erst 2018 einen Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erhalten haben, ihre Schadenersatzansprüche bis Ende 2021 geltend machen, da ansonsten die Verjährung ihrer Ansprüche eintreten könnte. Sollte es auch gegen Daimler zu einer Musterfeststellungsklage kommen, kann auch hier die Verjährung durch eine Anmeldung im Klageregister gehemmt werden“, so Rechtsanwalt Staudenmayer.

 

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