Mercedes-Abgasskandal – Ansprüche gegen Daimler

Auf Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) muss Daimler weltweit weitere rund 170.000 Mercedes-Dieselfahrzeuge, davon ca. 60.000 in Deutschland, wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in die Werkstätten zurückrufen. Der Rückruf betrifft Mercedes-Diesel der A-, B-, C-, E- und S-Klasse mit der Abgasnorm Euro 5, die längstens bis August 2014 produziert wurden.

Der aktuelle Rückruf deutete sich vor rund einem Jahr bereits an, als das KBA bei Modellen des Mercedes GLK 220 CDI mit der Abgasnorm 5 die sog. Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung als unzulässige Abschalteinrichtung einstufte und den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge anordnete. Da Daimler eingeräumt hatte, dass die bemängelte Funktion auch in anderen Modellen verwendet wird, kommt der weitere Rückruf nicht mehr wirklich überraschend.

Die Zahl der Diesel-Fahrzeuge, die Daimler aufgrund unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückrufen muss, ist noch einmal gestiegen. „Für die betroffenen Mercedes-Kunden bedeutet dies, dass sie ein Update mit ungewissen Folgen für den Motor aufspielen lassen müssen. Sie haben aber auch gute Chancen, Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Verschiedene Gerichte, u.a. das Landgericht Stuttgart, haben Daimler schon wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verurteilt“, erklärt Rechtsanwalt Staudenmayer.

Zudem hat sich der Druck auf Daimler auch durch die Rechtsprechung zu der von den betroffenen Autoherstellern eingeschlagenen Verfahrenstaktik weiter erhöht. So hat der BGH mit Beschluss vom 28. Januar 2020 entschieden (Az.: VIII ZR 57/19), dass vom Kunden keine detaillierten Kenntnisse über die Funktionsweise einer Abschalteinrichtung verlangt werden können. Es reiche aus, wenn der Kläger hinreichend schlüssige Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinlieferung liefere. Dann dürfe ein Gericht dies nicht als „Vortrag ins Blaue hinein“ abweisen, sondern müsse in die weitere Beweisaufnahme einsteigen, so der BGH.

„Der Beschluss zeigt bereits Wirkung. Verschiedene Gerichte sehen Daimler nun in der sekundären Darlegungslast. Das heißt, Daimler muss sich dazu äußern, wie Abschalteinrichtungen wie Thermofenster oder die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung konkret arbeiten, und warum sie ausnahmsweise zulässig sein sollen“, so Rechtsanwalt Staudenmayer. So hat beispielsweise das OLG Frankfurt a.M. mit Beschluss vom 06.04.2020 darauf hingewiesen, dass ein Gutachten eingeholt werden müsse, um zu klären, ob das streitgegenständliche Fahrzeug mangelhaft ist, weil in ihm eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. eine manipulative Softwareprogrammierung der Motor- oder Getriebesteuerung vorhanden ist. Der 16a. Fachsenat des OLG Stuttgart hat in drei Verfahren am 05.05.2020 erklärt, dass Daimler die Funktionsweise der Abschalteinrichtungen erklären und auch mitteilen muss, welche Angaben zu den Funktionen im Typengenehmigungsverfahren gemacht wurden. Die Vorlage geschwärzter Dokumente reiche dazu nicht aus, stellte der Senat klar.

Zudem hat die EuGH-Generalanwältin Eleanora Sharpston in ihrem Schussantrag in einem Verfahren zum Abgasskandal am 30.04.2020 deutlich gemacht, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie im realen Straßenbetrieb zu einem erhöhten Schadstoffausstoß führen. Ausnahmen seien nur in sehr engen Grenzen und zum unmittelbaren Schutz des Motors zulässig. Funktionen, die den Motor nach Herstellerangaben vor Versottung oder Verschleiß schützen sollen, zählen nicht zu diesen Ausnahmen, stellte sie klar. „Demzufolge können auch Thermofenster wie sie Daimler und andere Hersteller bei zahlreichen Dieselmodellen verwenden, unzulässig sein“, so Rechtsanwalt Staudenmayer.

In seinem ersten Urteil zum VW-Abgasskandal hat der BGH am 25.05.2020 zu Az. VI ZR 252/19 die Volkswagen AG bzgl. der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verurteilt. Rechtsanwalt Staudenmayer: „Das Urteil bezieht sich zwar auf den VW-Dieselmotor EA 189. Es wird jedoch auch richtungsweisend für Klagen gegen andere Hersteller sein.“

 

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