EuGH ermöglicht Rücktritt von bestimmten Versicherungsverträgen (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 19.12.2013, C-209/12)

Stuttgart, 23.01.2014

Aufgrund der Entscheidung des EUGH vom 19.12.2013 sollte man prüfen lassen, ob ein Rücktritt von Versicherungsverträgen, v.a. Lebensversicherungen, die zwischenzeitlich nicht mehr passen oder unrentabel sind, auch heute noch erfolgen kann, sodass die Prämien nebst Zinsen zurück verlangt werden können

Vertreter und Versicherungsgesellschaft haften selten

Grundsätzlich haftet der Versicherungsvertreter dem Versicherungsnehmer nicht, denn für den Abschluss von Versicherungen gilt der Grundsatz der Eigeninformation seitens des Interessenten. Nur ausnahmsweise kommt eine solche Haftung in Betracht, wenn der Versicherungsvertreter ein besonderes wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsschluss hat, das über den Provisionserhalt hinausgeht, oder wenn in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen wird. Diese Voraussetzungen liegen oft nicht vor. Der Versicherungsvertreter muss also im Normalfall „nur“ informieren und nicht beraten.

Gegen die Versicherungsgesellschaft kann in der Regel nur wegen unwirksamer Klauseln im Versicherungsvertrag vorgegangen werden.

Neuer Ansatz durch EUGH-Entscheidung: Widerspruch

Hier bietet die Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof – BGH Az. IV ZR 76/11 - die Möglichkeit, den Vertrag zu widerrufen, wenn Form- und/oder Formulierungsfehler der Rücktritts- / Widerspruchsbelehrung erfolgt sind. Sinn und Zweck der Informationspflicht sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 I 1 der Richtlinie 90/619/EWG könnten eine Auslegung rechtfertigen, dass ein Vertrag ohne ordnungsgemäße europarechtlich einwandfreie Information und Belehrung des Versicherungsnehmers nicht zustande kommt.

Der Europäische Gerichtshof hat am 19.12.2013 entschieden, dass eine nationale Regelung unwirksam ist, wonach ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist.

Der EuGH begründete seine Entscheidung damit, dass das deutsche Versicherungsvertragsgesetz mit einer solchen Beschränkung des Rücktrittsrechts auf ein Jahr (§ 5a VVG a.F.) nicht mit dem damaligen EU-Recht zu vereinbaren war.

Nicht vorschnell kündigen!

Sollte Ihnen ein derartiger unerwünschter Vertrag aus den Jahren 1995 bis 2007 mit zweifelhafter oder gar fehlender Rücktritts- / Widerrufsbelehrung vorliegen, sollten Sie diesen fachanwaltlich überprüfen lassen, um Ihre Rechte zu wahren. Vielleicht können auch Sie die bezahlten Versicherungsprämien zurück verlangen. Dies könnte besonders bei Rentenlebensversicherungen und fondsgebundenen Lebensversicherungen von Interesse sein.